Was ist systemische Therapie?
Die systematische Therapie wird auch teilweise als systemische Psychiatrie oder systemische Familientherapie bezeichnet. Dabei geht es um ein psychotherapeutisches Verfahren, dass den sozialen Kontext, bzw. die psychischen Störungen zwischen Mitgliedern der Familie und der sozialen Umwelt analysiert und bearbeitet. Im Wesentlichen handelt es sich um das Einbinden des sozialen Umfelds in die Behandlung des Patienten. Seit 2019 ist diese Therapieform in Deutschland auch durch die Krankenkassen unterstützt. Das Verfahren wird in der ambulanten, als auch stationären Psychotherapie und als Behandlungsverfahren zur Rehabilitation und Prävention eingesetzt. Probleme werden hierbei nicht als Störung begriffen, sondern als Folge einer Störung des sozialen Umfeldes. Das kann von der Familie, der Schule aber auch vom Arbeitsumfeld herrühren. Die Betroffenen Personen stehen dabei im Fokus der Therapie.
Die systematische Therapie betrachtet den Menschen als Teil eines Systems. Alle Personen in diesem System hängen unmittelbar zusammen und haben Auswirkungen auf das Verhalten und die Probleme des Patienten. Der Fokus liegt bei der Behandlung nicht auf den krank machenden Themen, sondern auf den Zweck, oder die Störung, die von dem System verursacht wird. Es geht darum die Symptome im System aufzudecken und zu bearbeiten. Bezugspersonen sind in dieser Therapieform sehr nützlich, denn sie geben nochmal einen anderen Standpunkt in Bezug auf den Patienten und seiner Situation. Es würde nichts helfen den Patienten nur nach Symptomen zu behandeln und damit die wesentliche Ursache aus dem Umfeld bei Seite zu schieben. Daraus entstünde ein weiterer Teufelskreis, der die Symptomatik des Patienten nicht löst. Darum wird die Situation des Patienten ganzheitlich sozial betrachtet, um mögliche Faktoren von außen zu bearbeiten und um die Heilung des Patienten erfolgreicher anzustoßen.
Inhalt des Artikels
Was ist systemische Therapie?
Geschichte der systemischen Therapie
Modellformen
Methoden der systemischen Therapie
Wann ist eine systemische Therapie sinnvoll und wie wirkt sie?
Die systemische Therapie hilft besonders bei
Videos
Bücher und Quellen
Geschichte der systemischen Therapie
Das familientherapeutische Denken entwickelte sich erst nach dem zweiten Weltkrieg um 1950. Begründet wurde diese Methode von Nathan Ackerman, der in der Therapie seiner Patienten die ganze Familie einbezog und damit die Grundlagen für die strukturelle Familientherapie legte. Jay Haley entwickelte die Familientherapie weiter und fand heraus, dass in Familien oftmals die Kommunikation Ursache der Hauptprobleme ist. Diese Ursache wird auch als dysfunktionale Triade bezeichnet. 1956 wurde der Forschungsbereich zu Doppelbotschaften als paradoxes Kommunikationsmuster beruhend auf den Kommunikationsstörungen veröffentlicht. Auf Basis von Norbert Wieners Kybernetik Konzept und den Vorkenntnissen der Familientherapie, entwickelte sich ein neues Konzept namens Palo-Alto-Gruppe. Ab 1971 kam die systemische Familientherapie nach der Mailänder Gruppe dazu. 1973 wurde das Werk „Invisible Loyalstes“ von Iván Böszörményi-Nagy veröffentlicht. Es gilt als Grundlagenwerk der familientherapeutischen Methodik. In den 80er Jahren wurde in die Therapie auch die Umgebung, wie Schule oder Arbeitsplatz mit einbezogen. Das führte zu großen Durchbrüchen in der Heilung der Patienten. Heute orientiert sich die systemische Therapie nach den drei Kategoriesträngen Selbstorganisation, Autopoesis (Selbsterschaffung oder Selbsterhaltung) nach Luhmann und nach dem narrativen Ansatz.
Der Mesmerismus wurde im 19. Jahrhundert konzeptionell zum Hypnotismus umgewandelt. Man entfernte sich vom magnetischen Animalismus hin zu einer hirnphysiologischen Wissenschaft. Jean Martin Charcot war einer der führenden Wissenschaftler im Frankreich des 19. Jahrhunderts. Sein Schüler, Sigmund Freud, entwickelte aus seiner Methode die freie Assoziation. Im deutschen Sprachgebiet im 20. Jahrhundert, entwickelten Oskar Vogt, Johannes Heinrich Schulz und Klaus Thomas die Hypnose weiter und das daraus hervorgehende autogene Training. In Amerika gelten Milton H. Erickson und Dave Elian als die Vorreiter der Hypnose und in England John Hartland. Sein Buch „Dictionary of Medical and Dental Hypnosis“ zählt heute zu den Standardwerken für britische Hypnoseärzte. Aus der Hypnose entwickelten sich unter anderem Methoden wie das neurolinguastische Programmieren oder auch die Silva Methode.
Modellformen
Mailänder Modell
Das Mailänder Modell wurde von Mara Selvini Palazzoli, Luigi Boscolo, Gianfranco Cecchin und Giuliana Prata initiiert. Unterstützt wurden sie dabei von dem österreichischen Psychologen und Psychotherapeuten Paul Watzlawick. Besonderen Fortschritt erzielte die Gruppe bei schizophrenen Familienmitgliedern. Vor Allem mit der Zwei-Kammer Methode. Dabei sitzt der Therapeut und der Patient in einem Raum. Sie werden beobachtet von einem Co-Therapeuten. Das Team aus den beiden Therapeuten berät sich während und nach der Sitzung zur weiteren Vorgehensweise. Durch diese wiederkehrenden Interuptionen werden die Blickwinkel auf den Patienten ausgeweitet. Die Interruption während der Therapiesitzung reist die Familie aus den gewöhnlichen Interaktionsmustern und legt die Symptomatik deutlicher offen. Der Patient wird nach er Sitzung nicht einfach nur entlassen sondern seine Symptome werden deutlich besprochen und dazu gibt es Hausaufgaben, die der Patient mitbekommt um an sich selbst arbeiten zu können.
Reflecting Team
Das sogenannte therapeutische Setting wurde durch den norwegischen Sozialpsychiater Tom Andersen, um die Reflecting Team Methode weiterentwickelt. Während der Sitzung tauschen Therapeut und Patient die Plätze mit zwei Co Therapeuten. Therapeut und Patient beobachten nun das geschehen aus der Sicht der beiden Co Therapeuten, während die Co Therapeuten sich in die Lage der beiden anderen versetzen und die Situation auf ihre Art und Weise durchspielen. Diese Therapie steuert damit eine bessere Reflexion beim Patienten an und er bekommt eine vielfältigere Perspektive auf seine Symptomatik.
Virginia Satir
Die Mutter der systemischen Therapien ist Virginia Satir. In ihrer Methode werden generationsübergreifende Problemstellungen aufgedeckt, Persönlichkeitasanteile ausgemacht und Aufstellungen dazu vorbereitet. Neben Virginia Satire entwickelte Fritz Perls mit seiner Gestalttherapie und Milton H. Erickson mit der Hypnothereapie die Methode weiter. Heute gilt die Hypnotherapie als Vorbild für das Neuro-Linguistische Programmieren.
Inneres Team
Die Inspiration für die Arbeit im inneren Team gab Virginia Satir. Der Psychologe Friedemann Schulz von Turn entwickelte diese Methode für das Coaching und die Psychotherapie weiter. Dabei geht es darum die Persönlichkeitsanteile des Patienten systemisch aufzustellen.
Heidelberger Schule
Diese Methode hat sich ab den 80er Jahren an der Universität Heidelberg herauskristallisiert. Fachlich arbeitete die Gruppe mit der Palo Alto Gruppe zusammen. Aus ihr hervor gingen die Mitbegründer der Familientherapie Helm Stirelin und Gunthard Weber. Im Wesentlichen geht es bei der Heidelberger Schule um das systematische Denken und die Systemaufstellung. Da ihre Arbeit internationalen Bezug hatte, wurde dabei auch der Kulturkreis mit einbezogen.
Narrativer Ansatz
Dieser Ansatz wurde 1980 von Michel Foucault angestossen. Der Ansatz geht auf Michael White und David Epson zurück und handelt von einem poststrukturalistischem Postulat, das bedeutet sprachliche Überlieferungen, sowie gesellschaftliche Phänomene sind Manifestationen von Wirklichkeitskonstruktionen. Die Identität des Individuums wird demnach narrativ aus den gesellschaftlichen Mustern gebildet.
Hypnosystemischer Ansatz
Günter Schmidt begründete diese Methode, die sich um die Paar- aber auch Familientherapie dreht. Bei dieser Methode richtet sich der Blick des Patienten mehr nach innen, als nach seinem äußeren Umfeld.
Aufstellungsarbeit
Eine weiter Methode ist die Familienaufstellung nach Hellinger. Hierbei werden mehrere Personen mit einbezogen, die konstellativ angeordnet werden, um so die Symptomatik und Probleme des Patienten aufzudecken.
Schule von Milwaukee
Diese Methode geht davon aus, dass Problem und Lösung zwei verschiedenen Welten angehören. Die Gruppe um Insoo Kim Berg und Steve de Shazer entwickelte in Milwaukee die sogenannte lösungsfokussierte Kurzzeittherapie. Dabei skalieren sie das Problem mit einem Belastungsgrad zwischen 1-10 auf einer Skala. Eine sogenannte Wunderfrage hilft schnelle Lösungen zu finden. Eine Beispielfrage dazu lautet: „Wenn über Nacht ein Wunder Geschen würde und das Problem verschwunden wäre, was würdest Du dann machen…“.
Methoden der systemischen Therapie
Es gibt verschiedene Methoden mit denen systemische Therapeuten versuchen die Probleme und Symptome des Patienten aufzudecken und zu behandeln. Das Erlangen einer möglichst genauen Perspektive des Patienten, aber auch einen guten Einblick in sein Umfeld, sind dabei die wichtigsten Faktoren. Für die systemische Therapie werden oftmals Methoden, wie die zirkulären Fragen, die auf einem vermuteten Standpunkt von einem Dritten abzielen, gebraucht. Auch Skalenfragen nach dem Fortschritt, während der Therapie sind hilfreich. Reframing wird oftmals dazu benutzt, um eine Interpretationsveränderung anzustossen. Weitere Methoden wie die paradoxen Interventionen, Metaphernarbeit, die Familienskulptur, das Sozioprogramm und das zuvor schon erwähnte reflecting Team helfen die Arbeit zu unterstützen.
Wann ist eine systemische Therapie sinnvoll und wie wirkt sie?
Eine systemische Therapie wird vor Allem bei Depressionen, Essstörungen, Suchterkrankungen, Schizophrenie und psychosomatischen Krankheiten angestoßen. Aber auch bei Störungen im Sozialverhalten. Wie die meisten Therapien ist die systemische Therapie erst dann sinnvoll, wenn sich der Patient auch darauf einlassen kann. Vor allem aber auch dann, wenn sich sein direktes Umfeld, also die Familie darauf einlässt. Zeit ist ein entscheidender Faktor bei der systemischen Therapie. Denn Zeit, und vor Allem die Zeit die sich der Patient nimmt, entscheidet wie gut er sich mit den Gefühlen auseinandersetzen und sie ordnen kann. Es gehört viel Überwindung dazu sich auf die Therapie einzulassen und vor Allem steigen dabei viele Emotionen hoch, die verarbeitet werden wollen. Da die Patienten aus ihren gewohnten Alltagszyklen herausgeholt werden, kann es erstmals zu Verschlechterungen der Situation kommen. Dennoch hilft es sich dabei das große Ganze vor Augen zu halten. Denn es geht um die Heilung des Patienten und damit auch um die Reflektion des Umfeldes darauf. Wenn sich das Setting eines Patienten ändert, ändert das auch die Wirkung auf und vom Außen. Deshalb haben systemische Therapien einen sehr positiven Impact auf alle Beteiligten.
Die systemische Therapie hilft besonders bei
Die systemische Therapie ist eine Form der Psychotherapie, die sich auf zwischenmenschliche Beziehungen und das soziale Umfeld konzentriert.
- Beziehungsprobleme
- Familiäre Konflikte
- Kommunikationsprobleme
- Eheprobleme
- Eltern-Kind-Beziehungen
- Schwierigkeiten in der Partnerschaft
- Familiäre Krisen
- Trennung und Scheidung
- Kinder- und Jugendprobleme
- Erziehungsfragen
- Patchworkfamilien
- Suchtverhalten innerhalb der Familie
- Essstörungen
- Depression
- Angststörungen
- Traumata
- Psychosomatische Beschwerden
- Berufliche Probleme
- Schulprobleme
- Selbstwertprobleme
Es ist wichtig zu beachten, dass die systemische Therapie als unterstützende Methode betrachtet wird und nicht als Ersatz für professionelle medizinische oder psychotherapeutische Beratung. Personen mit ernsthaften psychischen Problemen sollten sich an qualifizierte Gesundheitsdienstleister wenden.
Videos über systemische Therapie
Bücher und Quellen
Bücher über systemische Therapie
Das 1×1 der systemischen Fragetechniken
400 Fragen für systemische Therapie und Beratung
Systemische Therapie für Dummies
Quellen
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