Was ist die Daseinsanalyse?

Die Daseinsanalyse gehört zu den tiefenpsychologischen Therapien und steht dabei der Psychoanalyse sehr nahe. Die Grundlagen der Daseinsanalyse gehen in die psychiatrische oder psychotherapeutische Methodik über und orientieren sich an der Philosphie von Martin Heidegger, der sich mit dem „Dasein“ in seinem Werk „Sein und Zeit“ beschäftigte. Konkret hilft die Daseinsanalyse dabei, die Symptome oder Schwierigkeiten aufzudecken, die den Menschen in seinem Leben begleiten und ihn in seinem Dasein psychisch, aber auch physisch leiden lassen. In der Analyse der Probleme wird nicht nur auf die Kindheit, sondern auch auf Wünsche, Ängste und Grenzen gesetzt. Träume und Wahrnehmungen des Patienten werden in die Therapie mit einbezogen. Krankheitssymptome und Körperwahrnehmungen, die vor oder während der Therapie auftreten werden ebenfalls analysiert. Durch diese Grundlagen kann der Therapeut gezielt auf den Patienten eingehen, ihn verstehen und dadurch seine Symptome abschwächen oder final austherapieren.

Geschichte der Daseinsanalyse

Die Daseinsanalyse oder auch Existenzanalyse stammt aus dem Werk „Sein und Zeit“ von Martin Heidegger, welches 1927 erschienen ist. In diesem Buch geht Martin Heidegger mit Hilfe des durch ihn geprägten Begriffs der Fundamentalontologie auf die Analytik der Grundstrukturen des Menschen ein. Die Daseinsanalyse bezieht sich dabei auf die Abhandlung Sein und Zeit. Heidegger stellte dar, dass der Mensch weiss das er „da“ ist, also dass er sich seiner bewusst ist. Später griffen zuerst Ludwig Binswanger, dann Medard Boss und Alice Holzhey diese philosophische Einsicht auf, um sie in ihre Methodik der Psychotherapie einzubauen.

Ludwig Binswanger war sehr angetan von Martin Heideggers „Sein und Zeit“ und begründete 1927 die „Daseinsanalytische Schule“ der Medizin und Psychiatrie. Diese Schule galt als eine der wichtigsten Schulen für Psychoanalyse, Individualpsychologie und analytische Psychologie ihrer Zeit. Ausgehend von den fundamentalen Strukturen des Daseins analysierte Binswanger empirisch phänomenologisch diverse psychische Krankheiten. Dabei gibt es drei wesentliche Formen des missglückten Daseins: Verstiegenheit, Verschrobenheit und Manieriertheit in Bezug zur schizophrenen Psychose. Verstiegenheit meint die Schwierigkeit von erkrankten Personen die Außenwelt so zu verstehen, dass sie daran reifen und wachsen können. Verschrobenheit ist die Vorstufe zur Erstarrung, das bedeutet der Patient bleibt in seiner Rolle fest erhalten und lässt sich nicht davon von äußeren und inneren Umständen abbringen. Schließlich führt diese Methode zur Manieriertheit, also das sture Verharren und Wiederholen seiner Rolle.

Während man die Schizophrenie in diese 3 Stufen einteilen kann, räumt Binswanger ein, dass Melancholiker eher in der Vergangenheit hängen geblieben sind. Während Heidegger auf die Nichtigkeit des Daseins eingeht, setzt Binswanger auf die Liebe als transzendierendes Dasein. In seiner Daseinsanalyse heisst es darauf: „dem kranken Mitmenschen als Daseinspartner das Verständnis für die Struktur des menschlichen Daseins zu öffnen“ („Der Mensch und er Psychiatrie“, 1957). Für Binswanger ist nie die Seele alleine krank, sondern auch das durch sie und durch andere. Der Mensch weiss um die Welt um sich herum und dieses Wissen weisst ihn seinen Weg. Es geht darum dem Menschen zu helfen mit der Reibung von Außen umzugehen und ihm die Verantwortung darüber zuzutrauen, um seinen Weg wieder aufzunehmen.

Medard Boss gründete 1971 in Zürich das „Daseinsanalytische Institut für Psychotherapie und Psychosomatik“. Boss arbeitete eng und freundschaftlich mit Martin Heidegger zusammen. Darum ist die Daseinsanalyse von Boss auch stark von den späteren Erkenntnissen Heideggers geprägt. Boss machte Heideggers Seinslehre für die Medizin Frucht- und lehrbar, denn die psychotherapeutische Daseinsanalyse war für sie mehr als nur eine theoretische Hilfe. Die tiefenpsychologischen Schulen und die anthropologische Medizin in ihrem Werk streben danach, das menschliche Dasein, Leiden und In-der-Welt-Sein durch eine Interpretation im Sinne des Daseins zu vertiefen.

Alice Holzey, die schweizer Psychoanalytikerin, vertritt einen neuen daseinsanalytischen Ansatz, der die Entdeckungen Sigmund Freuds stärker mit einbezieht und mit existenzphilosophischen Auffassungen verbindet. Damit sind die seelisch leidenden Menschen wesentlich hellhöriger, als die gesunden Menschen und deshalb auch offener für die abgründigen und rätselhaften Erscheinungen des menschlichen Lebens. Sie leiden quasi „am eigenen sein“. Die Auflehnung gegen die Angst und Scham intensiviert den Zustand und durch die Depression verliert der Patient den Kampf gegen die Angst, Scham oder Schuld, die ihn gefangen halten.

Heut beschäftigt sich die Daseinsanalyse mit allen zuvor genannten Aspekten, um den Patienten und seine Leiden so gut wie möglich zu analysieren. Die hermeneutische und daseinsanalytische Traumauslegung wird dabei mit einbezogen. Eine wesentliche Begründerin dieser Analyse ist die Zürcher Daseinsanalytikerin Uta Jaenicke.

Funktion der Daseinsanalyse

Die Daseinsanalyse konzentriert sich auf die aktuellen Vorgänge des Patienten, wie Einflüsse, Vorgänge und Symptome. Die Grundlage bildet ein Gespräch, um eine gesunde psychische Verfassung zu erreichen, so dass der Patient sich in seinem Umfeld frei und selbstbestimmt entfalten kann. Die Probleme des Patienten werden ihm in der Therapie bewusst gemacht und gleichzeitig werden ihm Werkzeuge an die Hand gegeben, sich mit seiner Welt auseinanderzusetzen, um nochmal neu zu beginnen.

In der Daseinsanalyse wird der Blick auf die menschlichen Vorgänge geschärft. Der Mensch an sich definiert sich durch sein Umfeld, Situationen, Stimmung und sein Verständnis mit und in der Welt. Genauso ist die Sprache, also seine eigene Sprache, ein wichtiger Gegenstand, den es zu analysieren gilt. Wenn der Mensch sich frei entfalten und in jeder Situation angemessen reagieren kann, ist er nach den Grundlagen der Daseinsanalyse psychisch gesund. Anders als bei der Psychoanalyse geht es hier darum die aktuell aufkommenden Emotionen zu betrachten, genauso wie seine Sprache, die sich damit verbindet. Gedanken und Gefühle sind für die Daseinsanalyse wesentlich. Der Therapeut hilft dem Patienten wieder selbstbestimmt zu leben.

Meistens wird die Therapie in Einzelsitzungen durchgeführt. Durch das Gespräch mit dem Patienten stellt sich eine Besserung der Symptome ein. Im Gegensatz zu Ländern wie Österreich und Schweiz, wird die Daseinsanalyse in Deutschland leider nicht von den Krankenkassen übernommen. Die Erfolgsquote der Therapie hängt natürlich auch mit dem Verhältnis zwischen Patient und Therapeut zusammen, aber es lässt sich mit der Daseinsanalyse in vielen Fällen eine Verbesserung der psychischen Verfassung und eine Reduzierung der Symptome bewirken.

Die Mittelstufe beschäftigt sich damit alle Gedanken, Gefühle und Bilder aus der Gelassenheit heraus zu beobachten und ziehen zu lassen. Angst und Stress bekommen so keine Energie mehr und werden durch die äußere Beobachtung objektiver wahrnehmbar. Der dritte Baustein ist die Oberstufe. Hier bearbeitet man mit Hilfe von Bildern, neuen Gedanken und Gefühlen die traumatischen Konflikte und Gefühle. Dabei werden ungesehen Anteile der Persönlichkeit entdeckt und können anschließend therapiert werden.

Das Training nimmt etwa 5-10 Minuten in Anspruch und sollte regelmäßig durchgeführt werden, damit es zu einer Verbesserung des Zustandes kommt. Eine Empfehlung wäre hier 1-2 mal am Tag. Man kann das Training zu Hause machen und sich während der Therapiesitzungen immer wieder Zuspruch oder Inspiration holen. Das autogene Training hilft nachgewiesen bei Schlafstörungen, Ängsten, Phobien, psychosomatischen Erkrankungen, Depressionen und allen Suchtformen. Die autogenen Sitzungen gehören zu den psychotherapeutischen Methoden und werden deshalb auch nach den allgemein gültigen Sätzen abgerechnet. Wenn man mit seinem Stress und seinen Ängsten umgehen lernen möchte, dann hilft diese Form der Therapie deutlich weiter.

Die Daseinsanalyse hilft besonders bei

Die Daseinsanalyse ist eine existenzielle psychotherapeutische Methode, die sich auf das individuelle Dasein und die persönliche Lebenssituation konzentriert.

  • Existenzielle Krisen
  • Identitätsfragen
  • Lebenssinnfindung
  • Angststörungen
  • Depression
  • Beziehungsprobleme
  • Selbstwertprobleme
  • Traumata
  • Trauerbewältigung
  • Suchtverhalten
  • Lebensübergänge
  • Berufs- und Sinnkrisen
  • Existenzielle Ängste
  • Selbstfindung und Persönlichkeitsentwicklung
  • Einsamkeit
  • Verlust von Lebensfreude
  • Krisenbewältigung
  • Spirituelle Fragen
  • Schlafstörungen
  • Emotionale Belastungen

Es ist wichtig zu betonen, dass die Daseinsanalyse als eine unterstützende Methode betrachtet wird und nicht als Ersatz für professionelle medizinische oder psychotherapeutische Beratung. Personen mit ernsthaften psychischen Problemen sollten sich an qualifizierte Gesundheitsdienstleister wenden.

Videos über die Daseinsanalyse

Bücher und Quellen

Bücher über die Daseinsanalyse

Daseinsanalyse: Der existenzphilosophische Blick auf seelisches Leiden und seine Therapie

Traumdeutung: Theorie und Praxis der Traumauslegung in der Daseinsanalyse

Traum und Existenz: Mit einem Vorwort von Michel Foucault

 

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